Einen Stratosphärenballon zu bauen - als jemand aus unserer Astronomie AG im letzten Schuljahr auf diese Idee kam, hatten wir nicht damit gerechnet, dass wir jene schon in so naher Zeit in die Tat umsetzen würden. Geplant war es nämlich ursprünglich, einen Ballon in die 15 bis 50 Kilometer hohe Stratosphäre zu schicken, um dort Experimente und Messungen, wie zum Beispiel hinsichtlich der kosmischen Strahlung oder des Luftdrucks, durchzuführen. Diese Projekte schoben wir jedoch zunächst beiseite, um uns einem etwas anderen zu widmen: Wir wollten die vielen kleinen Ballons, mit welchen Postkarten der neuen Fünftklässler bei der alljährlichen Ballonaktion in die Höhe geschickt werden, durch einen einzigen großen Ballon ersetzen, der die Karten in die Stratosphäre befördert, sie von dort aus abwirft und damit verteilt.

Eine Idee, welche auch der Firma „Stratoflights“, bei der wir unser „Wetterballon 800“-Set kauften, noch unbekannt war. Somit mussten wir selbst ein Konzept entwickeln, das uns die Umsetzung jener ermöglicht. Naheliegend wäre es natürlich gewesen, die Karten im Ballon zu platzieren, denn dieser würde ohnehin spätestens bei einer Höhe von ungefähr 30 Kilometern platzen, da der äußere Luftdruck immer niedriger würde, sich das Helium also ausbreitete und den Ballon irgendwann zunichte machte. Mithilfe eines Fallschirms käme die Styroporsonde, die unser restliches Equipment, wie zum Beispiel eine Kamera, beinhaltete, bestenfalls unbeschadet wieder am Boden an. Doch schnell merkten wir, dass die Postkarten den Ballon aus Naturkautschuk, welcher nur mit Handschuhen berührt werden durfte, vermutlich mit ihren scharfen Kanten von innen beschädigt hätten, womit diese Möglichkeit schon auszuschließen war. Lange zerbrachen wir uns den Kopf darüber, wie wir die Karten zum Fall bringen sollten. Unser erster brauchbarer Einfall bestand darin, die Karten mit einer Stecknadel an der Außenseite der Styroporbox zu befestigen und anschließend die Stecknadel mit einem Faden an den Fallschirm anzubringen. Beim Platzen des Ballons öffnete sich der Fallschirm und zöge die Nadel samt den Karten heraus. Um die Funktionalität unserer Idee zu prüfen, bauten wir ein Modell der Box und des Fallschirms, brachten die Karten auf beschriebene Weise an und warfen es aus dem Fenster. Unser Modell überstand den Aufprall nicht allzu intakt, die Karten waren allerdings nicht abgefallen. Vermutlich hätte diese Variante eigentlich funktionieren können, jedoch hätte man dazu sehr genau die Länge der Schnur bestimmen müssen, sodass die Karten nicht zu früh fallen, der Zug des Fallschirms aber dennoch ausreicht. Wir entschieden uns im Folgenden also dazu, noch eine weitere Idee, welche inzwischen aufgekommen war, auszuprobieren. Hierfür brachten wir die Postkarten gleichermaßen an der Styroporbox an, befestigten den Faden allerdings an beweglichen Flügeln, die, zunächst nach unten zeigend, ebenfalls an den Seiten der Box befindlich waren. Der Plan war es, dass die horizontal angebrachten Flügel von der Luft, solange der Ballon nach oben stiege, nach unten gedrückt würden. Sobald der Ballon platzte und die Box nach unten fiele, drückte die Luft die Flügel nach oben und brächte die Nadel und die Karten zum Fall. Schnell hatten wir auch hierfür ein Modell gebaut und führten dieses Mal einen Versuch auf einem Fahrrad durch, wodurch es uns möglich war, die Aufstiegsgeschwindigkeit von ungefähr 5 m/s zu simulieren. Einer von uns hielt die Styroporbox während des Fahrens zunächst so, dass die Luft von oben auf die Flügel drückte, drehte sie anschließend um und ließ die Luft von unten gegen die Flügel drücken. Das Ergebnis fiel äußerst positiv aus: Auch turbulentem Fahren in die eine Richtung hielt die Befestigung stand, beim Umdrehen flogen die Karten jedoch sofort davon. Das Kartenproblem hatten wir also gelöst. Nun wurde uns allerdings bewusst, dass an den Seiten unserer Styroporsonde nicht mehr genügend Platz für die vertikal anzubringenden Flügel übrig war, denn eine Seite war für unsere 180°-Kamera reserviert, zwei für die Postkarten. Die Flügel sollten, sofern ganz parallel angebracht, die Drehbewegung unserer Sonde mindern, um unser Kamerabild zu stabilisieren. Schnell kam der Vorschlag auf, wir könnten die Flügel doch ebenso gut diagonal befestigen, was das Massenträgheitsmoment, durch die weitere Entfernung von der Drehachse, sogar zusätzlich erhöhen sollte. Leider reichte die Länge der zwei mitgelieferten Holzstäbe nicht aus, um diese diagonal durch die Sonde zu stecken. Also behalfen wir uns damit, zwei weitere Stäbe hinzuzunehmen, sodass wir jeweils von beiden gegenüberliegenden Ecken ins Innere der Box stechen und die zwei Stäbe anschließen in der Mitte befestigen konnten. Dies brachte zudem den Vorteil, dass wir die Flügel zwar schon vorbereitet hatten, jedoch mit dem Zusammenstecken warten konnten, bis unser technisches Equipment in der Sonde platziert war. Jenes bestand aus einer Kamera, einem Smartphone, zwei Batterypacks und einem GPS-Tracker. Die bereits erwähnte Kamera war so in der Seite der Box befestigt, dass sie durch ein kleines Loch im Styropor filmen und uns gutes Videomaterial des Fluges liefern sollte. Das Smartphone filmte durch ein Loch am Boden der Box und sollte den Start des Ballons live streamen. An einem Holzstab brachten wir ein kleines TMG-Logo an, welches hierbei im Bild zu sehen sein sollte. Wir rechneten allerdings damit, dass das Smartphone sich früher oder später abschalten würde, nicht zuletzt wegen der extremen Temperaturen von bis zu -65 °C, welche in der Stratosphäre herrschen. Aus diesem Grund schickten wir auch die Batterypacks, die dafür ausgelegt sind, zuverlässig unter solch extremen Bedingungen zu funktionieren und der Kamera und dem GPS-Tracker, deren Akkus es nicht sind, genügend Energie zu liefern, mit. Die Temperaturen waren ebenfalls einer der Gründe dafür, dass unsere Sonde aus Styropor bestand. Dieses isoliert nämlich gut und hält die Wärme im Inneren der Box. Zudem ist es leicht und könnte schwimmen, falls unser Ballon im Wasser landen sollte. Der GPS-Tracker diente dazu, sicherzustellen, dass wir unsere Sonde nach dem Absturz wiederfinden würden, da der Ballon weite Strecken zurücklegen kann. Zwischenzeitlich kamen wir auf die Idee, die Sonde schwarz zu bemalen, um die Temperatur zusätzlich zu erhöhen, da schwarz das Sonnenlicht bekanntlich absorbiert, während weiß es reflektiert. Hierfür wollten wir zunächst Farbe aus einer Spraydose verwenden. Zum Glück testeten wir dieses Vorhaben zuvor auf einem kleinen Stück Styropor, da dieses, vermutlich wegen der in der Farbe enthaltenen Lösungsmittel, gleich wegschmolz. Im Endeffekt fiel die Entscheidung auf Acrylfarbe, denn jene ist auf Wasserbasis, nach dem Trocknen jedoch wasserfest. Was uns beim Bauprozess zudem immer wieder beschäftigte, war die Frage, was geschehen würde, überlasteten wir den Ballon. Der unsere war nämlich bloß für eine Nutzlast von 800g, eine Masse, welche wir schnell überschritten hatten, ausgelegt. Da es viele vorstellbare Folgen einer Überlastung gäbe und wir nicht genug Erfahrung hatten, um sie uns selbst zu beantworten, riefen wir bei Stratoflights an, um unsere Fragen zu stellen. Zur Antwort bekamen wir, eine Überladung von 10% sei unproblematisch. Zudem wies man uns auf den Heliumrechner und Streckensimulator auf der Website hin. Der eine helfe uns, den Bedarf an Helium herauszufinden, der andere könne ungefähr vorhersagen, wohin unser Ballon fliegen werde. Davon, einen Knick-Taschenwärmer in der Sonde zu platzieren, riet man uns vehement ab, die Abwärme der technischen Geräte sei ausreichend.









Nach vielen Stunden voll Arbeit und Kopfzerbrechen, war am Freitag, dem 15.09., endlich der Tag des Ballonstarts gekommen. Am Morgen gab es noch viel zu erledigen: Es galt Schnüre zu entknoten, zuzuschneiden und zu befestigen; QR-Codes für den Livestream zu erstellen, Karten zu lochen und Bilder der einzelnen Komponenten für die Fünftklässler zu malen. Dann begaben wir uns auf die Wiese neben dem Schulgebäude, sperrten einen Bereich ab, breiteten dort eine Plane aus und begannen die finalen Handgriffe. Wir starteten den Livestream und platzierten das Smartphone sowie den GPS-Tracker in der Sonde. Danach war es uns möglich, die vertikalen Flügel zusammenzustecken und zu befestigen. Als alles fertig gepackt war, fixierten wir den Deckel oben und die Postkarten an der Seite der Box. Ein letztes Mal wogen wir unsere Sonde und rechneten den Heliumbedarf unseres Ballons mit einem Heliumrechner aus. Während des Füllens erklärten wir den Fünftklässlern und ihren Eltern unser Vorhaben.





Dann war es schon soweit: Der Countdown war abgelaufen und die Startschnur durchgeschnitten. Unser Stratosphärenballon hatte freie Bahn, um aufzusteigen. Doch schnell mussten wir feststellen, dass jener nicht wie gewünscht an Höhe gewann und lediglich seitwärts fortflog. Bevor unser Ballon sich in Bäumen oder im hohen Gras verfangen konnte, schaffte Herr Pfeifer es mit unserer Hilfe, ihn wieder einzufangen. Zum Glück war er unbeschadet, unsere Sonde hatte bei einem Aufprall auf den Boden jedoch die Hälfte ihres einen Flügels samt den daran befindlichen Postkarten verloren. Unser Ballon hatte eindeutig zu wenig Helium beinhaltet. Während also manche von uns den Flügel reparierten und die Karten wieder anbrachten, rechneten andere erneut den Heliumbedarf aus, dieses Mal mit einem höheren Wert bei der Nutzlast. Im Nachhinein fiel uns nämlich auf, dass wir den Fallschirm und die Spezialschnur ebenfalls hätten wiegen müssen. Alles musste schnell gehen, die Fünftklässler und ihre Eltern warteten schon gespannt auf den zweiten Startversuch. Leider war unser Livestream zu diesem Zeitpunkt schon abgebrochen, da das Smartphone überhitzt war. Wir hatten uns zuvor viel zu sehr darauf fokussiert, es, unter anderem mit zusätzlichen Isolierungen im Inneren, so warm wie möglich zu halten. So mussten wir eben auf den Livestream verzichten und führten unseren zweiten Startversuch dennoch durch. Dieses Mal stieg der Ballon glücklicherweise nach oben, keine Karte fiel zu früh hinunter und wir waren alle glücklich und stolz. Lange konnten wir den Ballon noch mit einem Fernglas beobachten und konnten sehen, dass sich unsere Sonde kaum drehte. Die diagonal angebrachten Flügel erfüllten also ihren Zweck.





Jetzt folgte die Phase, in welcher einige von uns dem Ballon hinterherfuhren, um ihn wieder einzusammeln und unser Videomaterial sicherzustellen. Bis nach Neckargemünd fuhren wir der Vorhersage des Streckensimulators hinterher und warteten am Neckar auf ein Signal des GPS-Trackers, welcher uns den Standort bei Landung des Ballons durchstellen sollte. Nachdem das Zeitfenster der wahrscheinlichen Landung vorbei war, gingen wir Pizza und anschließend Eis essen. Danach fuhren wir nach Dilsberg, um dort vom Berg aus Ausschau zu halten. Leider konnten wir nichts entdecken und erhielten auch kein GPS-Signal, sodass wir gegen 19 Uhr mit leeren Händen, dafür bei einem schönen Sonnenuntergang, zurückfahren mussten. Es könnte sogar sein, dass unser Ballon noch gar nicht gelandet ist, da unser Rechenfehler beim Helium dazu geführt haben könnte, dass unser Ballon genau so hoch fliegt, dass er nicht die Höhe erreicht, um zu platzen, aber nicht weiter auf- oder absteigt. Noch immer hoffen wir auf ein Signal des GPS-Trackers, beziehungsweise darauf, dass jemand unsere Sonde findet und sie uns zuschickt. Trotz und teils wegen der Komplikationen konnten wir viel aus dem Projekt lernen und wissen nun, welche Konzepte schon gut so waren und welche noch Optimierung benötigen. Wir hatten großen Spaß, an diesem Projekt zu arbeiten und jeder mit seinen Stärken etwas zu dem großen Ganzen beizutragen!

M.L. Fromm
 
 

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